Ryan Adams — Heartbreaker (2000)

Genre: Folk → Americana
Datum: 24. Januar 2023

Munk

Ryan Adams startet hier für mich mit “Heartbreaker” seine Solo-Karriere sehr souverän und platziert sich als Bindemittel aus Americana/Country der alten Schule (Springsteen, Dylan, Petty) und dem was noch kommen soll (Gaslight Anthem, Chuck Ragan, usw.). Ich schwanke da zwischen Begeisterung und einigen Zwickern und Zwackern – ich fasse mich aber kurz 😄

Der Opener “To Be Young (Is to Be Sad…)” macht richtig Bock, bluesig in der Strophe, säuselig in der Bridge und herzschmerzig amerikanisch im Refrain – und er bleibt hängen. Der Sound vom Boss und das Arrangement von Dylan, wenn man es nicht besser wüsste. Weitere Highlights sind für mich:

Die Lyrics strotzen vor klunkiger, aber passender Bildsprache und gefallen mir gut. Ansonsten konnten sich die mittelmäßig abwechslungsreichen Songs nicht ganz so sehr durchsetzen, weil sie bei späteren Durchläufen öfters geskippt wurden (Der Oscar geht hier an die mit der groben Kelle viel zu laut hingeschissenen Blues Harp – ernsthaft, soll das so tief-fühlig grob neben die Tüte gekotzt sein oder konnte er es damals noch nicht besser? In beiden Fällen spätestens beim eigentlich souveränen “To Be the One” nicht mehr zu rechtfertigen. Weniger wäre mehr gewesen!)

Insgesamt habe ich mich echt über das Album gefreut und auch zwei, drei Songs für den eigenen Gusto mitgenommen. Ich kannte Ryan nur durch ein Cover-Album von Taylor Swift, das mir gut gefallen hatte und hatte bis dato noch nicht viel von seinen eigenen Songs gehört. Von daher gebe ich hier 6,5 Punkte in Summe, da ich als Springsteen und Americana-Freund mich hier in Summe durchaus wohlfühle.


Mario

Ryan Adams’1 achte Platte “29” steht irgendwo bei mir im Regal – das Debüt war mir allerdings unbekannt. Bei der “Heartbreaker” wird recht schnell klar, welche Nische der Amerikaner für sich beansprucht. Ihn gibt es in drei Geschmacksrichtungen:

Mit starkem Überhang zu ersterem. Aber gut, generell schmeckt mir sowas. Ich bin ein Fan von akustischen Balladen – und davon gibt es auf der Platte doch einige. Ich muss allerdings feststellen: Es gibt nur so viel Mundharmonika, wie ich an einem Tag ertragen kann. Diese Kapazitäten reizt das Album voll aus.

Der dahingerotzte, aber angenehme Gesang; die schönen Bilder und Räume, die er mit den Stücken zeichnet; diese Art von ‘introspektiver’ Musik – all das ist echt gut und hätte dem Album eine hohe Punktzahl beschert, gäbe es da nicht zwei Punkte, die das Album für mich beinahe ruiniert haben.

Der Mix

Der Mix der Platte löste bei mir körperliches Unwohlsein aus, das nach den Residents erst zweite Album, das das geschafft hat, Gratulation! Bei “To Be the One” wird das Trommelfell regelmäßig von der viel zu schrillen Mundorgel zerbeigeschlafen, während die Gitarre ausschließlich links klimpert. Und bei “Oh My Sweet Carolina” wird mit Emmylou Harris eine Grammy-Gewinnerin und eine der größten Country-Stars vors Mikrofon geschleift und darf ausschließlich im rechten Ohr Platz nehmen. Man nehme dem Tontechniker den Panning-Knopf weg.

Ethan Johns, ein sonst sehr erfahrener Tontechniker, hat scheinbar ein bisschen die Essentials vergessen: Wichtige Elemente wie Gesang oder die einzige Akustikgitarre nur mit einem Ohr zu belohnen, ist spätestens seit den Siebzigern nicht mehr en vogue. Kopfhörer gibt es seit 1910, hier wurden augenscheinlich keine für Mix und Mastering verwendet.

Die Setlist

Ryan Adams hat viel zu bieten, das weiß ich aus Erfahrung. Hier gibt es aber folgendes Problem: Auch nach zwanzig Durchläufen könnte ich Dir beim besten Willen nicht sagen, welcher dieser Songs welcher ist …

Und das ist schade. Der eine Song, den er hier sechsmal schreibt, ist echt gut. Aber ich mag ihn halt nicht sechsmal mit minimal anderen Akkorden hören. Bei “To Be Young (Is to Be Sad, Is to Be High)” und “Shakedown on 9th Street” wird seine Variabilität deutlich; “Amy” hat mich zeitweise vom Songwriting sogar an die Beatles erinnert, aber er kehrt doch extrem schnell zu bekannten Mustern zurück. Dieser durchgängige Schwermut drückt wie ein Pickel.

Das Fazit

Und deswegen kann ich diesem Album, auch wenn es mir im Wesentlichen echt gut gefällt, keine richtig gute Punktzahl geben. 5,5 von 10 ist das höchste der Gefühle.


  1. Nicht zu verwechseln mit dem Soft-Rock-Kanadier, der noch ein B vor sich her trägt. ↩︎

Mario
5.5
Munk
6.5
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